Notizen
Video — Was sind die besten Messenger
Sicher telefonieren und Nachrichten schreiben
Gerade für Journalisten aber auch für viele andere ist sicheres Nachrichten schreiben und telefonieren sehr wichtig. Dabei geht es nicht nur um Geheimdienste, sondern auch um private Unternehmen, die ein Interesse an unseren Daten haben. Genauso, wie wir manche Nachrichten selbstverständlich in einem Briefumschlag und nicht als Postkarte verschicken, sollten wir auch bei digitalen Nachrichten vorsichtig sein.
Das Gute: sicheres Nachrichten schreiben ist einfacher geworden, denn viele Messenger verschlüsseln automatisch Ende-zu-Ende oder bieten es zumindest als Einstellung an.
Mein persönliches Ranking (Stand 10.11.2018):
Warum für mich Signal im Moment auf Platz eins steht und ich Whats App empfehle (obwohl Whats App zu Facebook gehört), könnt ihr euch in meinem ersten Video-Blog genauer anschauen.
Kommentar
Schleichendes Gift
Hunderttausende Studien, veröffentlicht mit dem Stempel der „Wissenschaftlichkeit“, vermeintlich glaubwürdig — Unsere große Veröffentlichung zu „Fake Science“ zeigt, wie sich Wissenschaftler, Lobbyisten und Heilsversprecher diesen Stempel erkaufen. Diese nicht-geprüften Studien und ihre zum Teil vermeintlichen Wahrheiten werden über das Internet und über die Medien verteilt. Am Ende weiß keiner mehr, was er eigentlich glauben kann und was nicht. Über die Gefahr von sogenannten „Raubverlegern“, mein Kommentar in den Tagesthemen dazu (19.07.2018).
Fake Science
Defending Science — Recherchebericht
Unser ARD-Film „Fake Science, die Lügenmacher“ ist hier abrufbar.
Wie viele gute Geschichten, beginnt auch diese Geschichte mit einem Tipp. Ende 2017 bekam ich eine anonyme Nachricht von jemanden über Twitter mit dem Namen „Waset Watch“. Er verlinkte auf seinen Blog mit der Überschrift: „101 on Academic conference scam“. Auf seiner Seite erfuhr ich, dass er auf einer Konferenz der „Weltakademie der Wissenschaft“ gewesen war und dass die Konferenz so ganz anders war, als er sich erhofft hatte. Ein kleiner dunkler Konferenzraum, Wissenschaftler aus zig unterschiedlichen Disziplinen und vor Ort ein vermeintlich ahnungsloser Organisator, der zu all dem nichts sagen wollte. Das alles machte ihn so wütend, dass er von der Webseite der „Weltakademie“ eine erste Datenprobe herunter lud. Er wollte wissen, wer noch in die Falle getappt war und stellte fest: es sind unter anderem jede Menge Wissenschaftler von renommierten Instituten dabei, auch aus Deutschland.
Undercover in London
Mein Kollege Peter Hornung aus dem Investigationsressort des NDR und Till Krause vom SZ-Magazin waren sofort begeistert von diesen ersten Erkenntnissen. Gemeinsam entschieden wir zunächst selbst einen Test zu machen: Wor wollten bei der „Weltakademie“ ein völliges Non-Sense Paper einreichen und dann dort auf einer Konferenz als vermeintliche Wissenschaftler auftreten.
Diese „Fake-Konferenzen“ organisiert von „Fake-Verlagen“, die alles als vermeintlich wissenschaftlich geprüfte Studien veröffentlichen, sind einigen interessierten Wissenschaftlern schon lange bekannt. Bei ihnen läuft alles insofern anders, als dass Studien bevor sie veröffentlicht werden normalerweise einen wissenschaftlichen Prozess durchlaufen. Sie werden von anderen Wissenschaftlern geprüft, mehrmals überarbeitet (im sogenannten „peer review“ Verfahren) und dann veröffentlicht oder auch nicht.
Fake-Verlage bieten an, diesen Prozess wesentlich zu verkürzen. Das Paper wird eingereicht, es wird nicht geprüft oder es gibt eine Art „Scheinprüfung“ (à la „Verlängern Sie diesen Absatz“ oder „Die Fußnoten sind nicht korrekt“) und dann wird das Papier angenommen und gegen Geld als wissenschaftliche Publikation (als „peer reviewed“) veröffentlicht.
2005 entwickelten Studenten des MIT einen „Paper Generator“, ein Programm, das eine Fantasie-Studie aus zusammengewürfelten Fachbegriffen ausspuckt. Genau so eine Fantasie-Studie generierten wir.
Wir wollten sie veröffentlichen lassen und zusätzlich auf einer Konferenz präsentieren. Tatsächlich waren wir einigermaßen nervös vor unserem Auftritt auf der Konferenz in London. Würde der Veranstalter uns sofort enttarnen?
Am Morgen, vor dem schäbigen abgedunkelten kleinen Konferenzraum, stellten sich alle Sorgen als umsonst heraus. Christian Schreibaumer (alias Peter Hornung) und Isabella Stein (alias Svea Eckert) fielen überhaupt nicht auf. Auch, dass wir einen dritten, unseren Regisseur und Kameramann Thorsten Wenning mitgebracht hatten, verwunderte niemanden. Wir durften filmen und Christian Schreibaumer wurde kurzerhand auch noch zum Session Chair, zum Leiter der Sitzung ernannt.
Unser vermeintlich wissenschaftlicher Vortrag behandelte einen neuartigen Algorithmus mit dem Namen „MOP“, der auch auf einem Game Boy funktionieren sollte. Nichts ergab Sinn, die Grafiken, die Sätze, die Hypothesen, alles Fake. Am Ende höflicher Applaus und ein Preis für die beste Präsentation. Es war schlicht kein Computerwissenschaftler dabei, der uns hätte kritisch hinterfragen können.
Als wir die „Weltakademie“ zunächst per E-Mail und später dann auch direkt mit den Vorwürfen konfrontierten: Sie würden „alles“ als „peer reviewed“ veröffentlichten und ihre Konferenzen seien nicht wissenschaftlich, bekamen wir keine Antworte (außer, dass man einen Anwalt einschalten würde).
Wer veröffentlicht noch dort?
Nach London war uns klar, niemand der einmal hier gewesen war, geht ein zweites oder sogar ein drittes Mal dorthin. So konfus, so sinnlos war die Konferenz in unseren Augen. Einige, die wir dort getroffen hatten, waren auch wütend gewesen, fühlten sich betrogen. Einige aber offenbarten uns, dass sie so auf Uni-Kosten eine schöne Reise machen könnten und andere erzählten uns, dass sie mit diesen Studien und Auftritten ihr Image aufbessern könnten.
Zwischen den Jahren auf dem 33C3 scrapten wir zum ersten Mal in größerem Umfang die Webseiten einiger Verlage. Das heißt: Wir luden die Metadaten und zum Teil auch die PDFs einiger Plattformen herunter, zum Beispiel von Waset. Zunächst unsystematisch, um einen Überblick zu gewinnen.
Die Rohdaten zu analysieren, war wie einen Vorhang zu öffnen. Vor allem wurde sichtbar, dass diese dubiosen Verlage in den letzten drei bis fünf Jahren ordentlich zugelegt hatten. Sie hatten rasant Kunden gewonnen, immer mehr Paper in ihren Journalen publizierten.
Und: Das Problem beschränkte sich nicht auf Entwicklungs- und Schwellenländer, sondern zahlreiche US- und Europäische Wissenschaftler veröffentlichten auch dort.
Die Frage nach dem Warum?
In Folge reichten wir 12 weitere Fake-Paper bei acht unterschiedlichen Verlagen ein. Computergenerierte Studien, um heraus zu finden, wie die Verlage reagieren würden. Manche davon sind online abrufbar, so wie dieses Paper hier. Zusätzlich sammelten wir weitere Beweise, sprachen mit Experten, kontaktieren Wissenschaftler, die dort einmal oder mehrfach veröffentlicht hatten, um mehr über die falschen Verlage und die Frage nach dem „Warum?“ heraus zu finden.
Zwei Institute der Universität Hannover und der RWTH-Aachen fielen uns besonders auf: Über Jahre hatten Wissenschaftler zahlreicher ihrer Studien unter anderem bei der „Weltakdademie“ eingereicht und waren auf Konferenzen geflogen.
Um diese und anderen Ergebnisse schnell und zumindest grob selbst nachzuvollziehen, kann diese Google-Suche helfen:
"John Doe" site:omicsonline.org OR site:sciencedomain.org OR site:omicsgrouponline.org OR site:waset.us OR site:waset.org OR site:waet.org OR site:thescipub.com OR site:austinpublishinggroup.com OR site:iosrjournals.org OR site:conferenceseries.com OR site:sciencepublishinggroup.com OR site:davidpublisher.org
Im April sollten wieder drei Teams von der Universität Hannover nach New York auf eine der Koferenzen reisen. Wir beschlossen ebenfalls dorthin zu fliegen, um sie direkt vor Ort zu treffen.
Wieder ein schäbiger Konferenzraum, wieder unzusammenhängende Vorträge, wieder einige wütende und einige wissende Wissenschaftler. Mit einem Forscher aus Hannover kamen wir dann tatsächlich ins Gespräch. Er offenbarte uns: New York sei eben eine wunderschöne Stadt, er sei aber nun aber der letzte, der auf so eine Konferenz fliegen dürfe.
Zurück in Hannover erklärte sich Institutsleiter Peter Nyhuis zu einem Interview bereit. Das alles sei ihm sehr, sehr unangenehm. Und ja, das wäre eine Verschwendung von Zeit und Steuermitteln. Aber sie hätten nun reagiert, die Praxis sei abgestellt. Was denn der Grund gewesen sei für die jahrelangen Reisen zu sinnlosen Konferenzen, das Veröffentlichen in pseudowissenschaftlichen Journalen? Der Druck zu Veröffentlichen sei hoch und die Projektzeiten kurz, waren seine Antworten.
Falsche Heilsversprechen und Lobbyismus
Schon früh hatten wir begonnen in den Journalen der dubiosen Verlage nach Veröffentlichungen von Firmen zu suchen, nach Stichworten wie „Inc.“ oder „Corp.“ oder „AG“. Vor allem im Bereich Medizin blüht das Geschäft. Top-Autor bei Omics ist zum Beispiel ein Heiler aus Indien, der in den USA seine wundersamen Energie, seine Aura als in Ampullen abgefüllte Medizin verkauft. In Werbevideos und auf seiner Webseite, preist er sein Serum als hundertfach wissenschaftich bewiesen an und Testimonials beschwören seine unglaublich heilenden Kräfte vor allem im Kampf gegen Krebs.
Die Onkologin Jutta Hübner von der Universität Jena beschäftigt sich intensiv mit alternativen Heilmitteln. Für uns überprüfte sie zahlreiche Studien, die wir zur „GcMAF“ auf Seiten der dubiosen Verlage gefunden hatten. „GcMAF“ ist ebenso ein Wundermittel, welches die Selbstheilungskräfte so stärken soll, dass Krebs im Endstadium geheilt werden kann. Ihr Urteil fiel vernichtend aus: „Die Studien sind grottenschlecht“. So würden sie zum Beispiel nur Einzelfälle beschreiben und seien voll von positiven Bewertungen.
Falsche Hoffnungen, verkauft dank pseudowissenschaftlicher Studien. Wir machten zahlreiche weitere solcher Beispiele ausfindig, verfolgten aber nicht alle Spuren weiter. Ein Hersteller von GcMAF aus England muss sich im November (2018) vor Gericht verantworten. Er habe das Mittel als Medikament verkauft. Basierend auf falschen Studien, heißt es in den Akten. Auf unsere Anfrage hin, kein Kommentar.
Zu diesem Zeitpunkt erschien uns die Recherche endlos: Unter jedem Stein, den wir umdrehten fanden wir etwas. Große Pharmahersteller die dort veröffentlichten, um dann wohlklingende Pressemitteilungen heraus zu geben. Atomkonzerne, deren Mitarbeiter Sicherheitskonzepte vorstellten, Zigarettenhersteller, die hier beweisen konnten, wie unschädlich ihre Zigaretten seien. Ihre Studien, ob richtig, schlecht oder erlogen - sie werden über die Pseudoverlage als vermeintlich wissenschaftich, als „peer reviewed“ veröffentlicht. In Wahrheit aber hat kein Zweiter ihre Inhalte je wirklich überprüft.
Eine giftige Mischung
Die Studien, veröffentlicht bei Pseudoverlagen, wie sahen sie wie ein schleichendes Gift, dass sich seinen Weg in unsere Gesellschaft bahnt: „Der Laie und manchmal sogar noch nicht einmal der Hausarzt kann erkennen, ob diese Studien richtig sind“, sagte uns Gerd Antes, von der Cochrane Deutschland Stiftung im Interview. Er überprüft seit mehr als zwanzig Jahren Wissenschaftliche Studien, ob sie stimmen oder nicht - Pseudoverlage und Pseudojournale hält er für zerstörerisch für die Wissenschaft und auch für die Gesellschaft.
Für uns der wichtigste Grund, mit dieser Recherche möglichst breit an die Öffentlichkeit zu gehen und so diese Drehscheiben der Pseudowissenschaft und ihr Folgen aufzudecken.
Viele haben uns während dieser, gut ein halbes Jahr andauernder Recherche, begleitet. Experten, Wissenschaftler, Institutionen, Betroffene und nicht zuletzt immer mehr Journalisten anderer Medien, die von dem Thema überzeugt waren und ihre eigenen Untersuchungen begannen.
Ermöglicht haben dieses Projekt vor allem: Britta von der Heide (NDR), die die Redaktion hatte und der Leiter der NDR-Investigation Stephan Wels, der von Anfang an, an das Thema glaubte. Kathrin Langhans von der Süddeutschen Zeitung, die früh zu uns dazu kam und mit uns „wühlte“, unser Regisseur Thorsten Wenning, der den 30-Minüter entwarf und umsetzte und die, die im Hintergrund viel beigetragen haben aber nicht namentlich genannt werden wollen. Am Ende alle internationalen und ARD-Kollegen, die uns während der Recherche unterstützt haben.